Heute erscheint mein jüngster Thriller „AchtNacht“, und diese Zeilen aus meinem Nachwort würde ich gerne mit Ihnen teilen:
„Im Juni 2013 saß ich mit meiner Frau Sandra im Alhambra in Berlin-Wedding. Es ist das Kino, das dem Virchow-Klinikum der Charité, in dem unser kleiner Felix in der Neonatologie um sein Leben kämpfte, am nächsten gelegen ist. Keine Sorge, mittlerweile geht es ihm super, er hat sich prächtig entwickelt und ist mit knapp vier Jahren schon jetzt handwerklich begabter als sein Papa. Aber damals, elf Wochen zu früh auf der Welt, wog er weniger als ein Tetra Pak Milch und hing an neun Zugängen, über die ihm Blutverdünner, Blutdrucksenker, Morphium und Antibiotika verabreicht wurden. Was man halt so braucht, wenn man gleichzeitig eine Nierenvenenthrombose und eine Darminfektion hat.
Die Schwestern und Ärzte sagten uns, wir hätten die Wahl: entweder ununterbrochen auf die Monitore zu starren, die die lebenserhaltenden Maßnahmen und Felix` Vitalfunktionen dokumentierten, oder mal eine Auszeit zu nehmen. Für zwei Stunden den Kopf freizubekommen, sich abzulenken. Um die nötige Ruhe zu finden, die man braucht, wenn man dem kleinen verkabelten Bündel Mensch die dringend nötige Nestwärme geben will; etwa wenn man es zum„Kangarooing“ aus dem Inkubator nimmt und sich auf die Brust legt.
Wir entschieden uns für die Ablenkungs-Alternative und damit für die Spätvorstellung von „The Purge“.
Es gibt sicher Menschen, die sich die Frage stellen, weshalb wir uns ausgerechnet einen Horrorfilm aussuchten, wo wir doch gerade selbst unseren privaten Horror erlebten. Aber diese Menschen lesen vermutlich selten Thriller. Es ist meine tiefe Überzeugung, dass wir Spannungsfilme und -bücher als Blitzableiter benutzen, die uns die Möglichkeit geben, unsere aufgestauten Ängste und Sorgen in einem angstfreien Ambiente zu verarbeiten.
Meiner Frau und mir hat der Kinobesuch auf jeden Fall geholfen. (So sehr, dass wir am nächsten Tag gleich noch in World War Z gingen.) Wir waren für eine kurze Zeit in einer anderen Welt. Einer Welt der Zukunft, in der in den USA einen Tag lang jede Straftat erlaubt ist; inklusive Mord, damit das amerikanische Volk danach „gereinigt“ ist und fortan ein ganzes Jahr friedlich miteinander auskommt.
Es ist kein Geheimnis: Jede kreative Leistung baut auf einer anderen auf. Filmschaffende, Musiker, Autoren schöpfen nicht aus dem leeren Raum, sondern werden inspiriert und motiviert durch die Werke anderer. Bei mir war es so, dass ich schon während des Vorspanns dachte, diese geniale Film-Prämisse von „The Purge“ (dessen zweiten Teil ich übrigens noch besser finde) könnte schon heute und nicht erst in zwanzig, dreißig Jahren Anhänger in der Realität finden.
Das brachte mich zu einer Folgeüberlegung: Die utopische Idee eines „Jeder gegen jeden in der Zukunft“ war faszinierend, mich persönlich aber interessierte viel mehr das realistische „Alle gegen einen in der Gegenwart“.
Und so stellte ich mir die Frage, wenn ich heute, im Hier und Jetzt, eine einzige Person nominieren dürfte, die eine Nacht lang vogelfrei ist: Wen würde ich auswählen?
Was denken Sie? Würden Sie jemanden für diese Todes-Lotterie nominieren? Und wie würden Sie reagieren, wenn Sie selbst ausgewählt würden? Wüssten Sie, wer Ihnen hilft? Wem könnten Sie bedingungslos vertrauen, dass er Sie selbst für die unvorstellbare Summe von zehn Millionen Euro nicht verrät? Oder gar persönlich ermordet?
Die Antwort, wen ich für die AchtNacht nominieren würde, ist sehr langweilig, denn tatsächlich wünsche ich niemandem in meinem Bekanntenkreis etwas Schreckliches; nicht einmal meinem Nachbarn, der ständig die Polizei rufen will, wenn jemand auch nur einen Millimeter schief parkt. Obwohl, wenn ich gerade so darüber nachdenke …;)“
Soweit meine Ausführungen zur Entstehungsgeschichte.
Weitere Informationen zum Buch und eine Leseprobe finden Sie hier!
Viel „Spaß“ in der AchtNacht (sofern Sie sich denn in sie begeben mögen …)
Alles Liebe
Ihr
Sebastian